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2013
Facetten des Zerfalls –  Drei freie Arbeiten des Fotografen Pit Brunner

Pit Brunner zeigt mir seine Bilder. Ganz untypisch für Architekturfotografie sehe ich zunächst viel Grün in der Serie «Southern Comfort». Üppige Hecken, denen man zwar ansieht, dass Menschenhände sie von Zeit zu Zeit schneiden. Doch die Pflanzen gedeihen in Italien und Griechenland prächtig, decken die Gemütlichkeit der Einfamilienhäuser zu, wuchern fast. Damit ist beschrieben, was Pit Brunner in seinen bisherigen, freien Arbeiten beschäftigt: Der Mensch gestaltet die Natur und doch entgleitet sie ihm. Sie macht, was sie will. Der langsame Kontrollverlust wird zum stillen Verfall. Davon erzählen auch die Bilder der Serien «Transition». Eine leere Villa wird da schrittweise ausgeweidet, rückgebaut sagt man heute. In der Bildserie sehe ich die Hand nicht, die sich zu schaffen macht. Das Haus löst sich vor meinen Augen auf. Menschenleben, die gehegt und gepflegt haben, verlieren – um es in dramatische Worten zu fassen – ihren Existenzkampf. Demütigend. Oder wie Pit Brunner mir sagt: «Es berührt mich, wie flüchtig und zerbrechlich unsere soliden Dinge eigentlich sind». Wenn Ordnung zu Chaos wird, gibt es Momente des Übergangs, die niemand interessieren und die einfach geschehen. Diese hält der Architekturfotograf Pit Brunner mit seiner Kamera fest. Sein meist frontaler Blick soll dokumentieren. Er meint diese Schautafeln nicht kritisch. Er staunt. Und zum Staunen braucht man diese Ruhe, die in all seinen Fotos zu finden ist – ganz stark in der Serie «Snowscape». Ist hier vielleicht doch noch die Rettung des Menschen zu sehen? Natur gibt es nicht mehr, sie verschwindet unter der dünnen Schneedecke. Alles scheint gebaut. Aber nur bis zur Schmelze. Theodor Fontane könnte spotten: «Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand.»

Ivo Bösch / Hochparterre